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Im sunnitischen Islam, dem mit Abstand die meisten Muslime (etwa 85%) weltweit angehören, spielt neben der göttlichen Offenbarungsschrift, also dem Koran, auch die Sunnah eine zentrale normative Rolle. Als Grundlage der Sunnah gelten die prophetischen Überlieferungen, die über Handlungen, Aussprüche oder kongruentes/inkongruentes Verhalten des Propheten Mohammed berichten. In ihrer Bedeutung für den Islam ist die Sunnah etwa vergleichbar mit der Bedeutung des Talmud für das rabbinische Judentum.
Eine solche prophetische Überlieferung (arab.: Hadith) ist als Gabriel-Hadith bekannt, weil in ihr eine Begebenheit berichtet wird, bei der der Erzengel und Gottesbote Gabriel (arab.: Jibril) eine wesentliche Rolle einnimmt.
Hier der Hadith in einer Übersetzung von Ahmad von Denffer aus dem Buch “An-Nawawi: Vierzig Hadite” (leicht redigiert und auf das Wesentliche gekürzt):
Überliefert von Umar, Allahs Wohlgefallen auf ihm, der gesagt hat:
Eines Tages, während wir beim Gesandten Allahs, Allah segne ihn und schenke ihm Heil, saßen, erschien ein Mann vor uns, mit sehr weißen Gewändern und sehr schwarzem Haar. An ihm war keine Spur der Reise zu sehen, und von uns kannte ihn keiner. Schließlich setzte er sich zum Propheten, Allah segne ihn und schenke ihm Heil, lehnte seine Knie gegen dessen Knie, legte seine Handflächen auf dessen Oberschenkel und sagte: «O Muhammad, unterrichte mich über Islam.»
Da sagte der Gesandte Allahs, Allah segne ihn und schenke ihm Heil: «Islam ist, daß du bezeugst, daß es keinen Gott gibt außer Allah, und daß Muhammad der Gesandte Allahs ist, daß du das Gebet verrichtest, die Zakat gibst, im Ramadan fastest und zum Hause Allahs pilgerst, wenn es dir möglich ist.»
Er (der Mann) sagte: «Du hast recht gesprochen,» und wir waren erstaunt, das er (der Mann) ihn erst fragte und dann sagte er spräche recht.
Er (der Mann) sagte: «Erzähle mir von Iman .»
Er (der Prophet) antwortete: «Du sollst an Allah glauben, Seine Engel, Seine Bücher, Seine Propheten, und den Letzten Tag, und an die Göttliche Vorsehung, das Gute und das Böse davon.»
Er (der Mann) sagte: «Du hast recht gesprochen.»
[…]
Dann ging er (der Mann) fort und ich blieb für eine Weile (beim Propheten). Daraufhin fragte er (der Prophet) mich: «O Umar, weißt du, wer der Fragende war?»
Ich sagte: «Allah und Sein Gesandter wissen es am besten.»
Er (der Prophet) sagte: «Es was Gabriel, er kam zu dir, um dir deine Religion zu lehren.»
Verzeichnet in der Hadithsammlung von Muslim
Diese prophetische Überlieferung nahmen muslimische Gelehrte zum Anlass, die Säulen der Religion (arab.: arkān ad-dīn) zu formulieren, sodass daraus die 5 Säulen des Islam (arab.: arkān al-Islām) und die 6 Säulen des Iman (arab.: arkān al-īmān) entstanden, die bis heute als unstrittiger Konsens im sunnitischen Islam Bestand haben und von nahezu jedem Muslim bereits im Kindesalter auswendig gelernt werden.
Die 5 Säulen des Islam
(sprich: die praktische Grundlage der Religion)
- Schahada (Glaubensbekenntnis)
(arab.: Aschhadu an lā ilāha illā ʾllāh wa aschhadu anna Muhammadan rasūlu ʾllāh / dt.: „Ich bezeuge, dass es keinen Gott außer Allah gibt und ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Gottes ist.)
. - Salah (Gebet)
(gemeint sind damit vor allem die 5 täglichen Pflichtgebete und die 3 Festgebete jeweils am Freitag sowie zum Ramadan- und Opferfest.)
. - Zakah (Almosenabgabe)
(eine jährlich an die hoheitliche Kasse zu entrichtende Abgabe auf Vermögenswerte wie Vieh, Feldfrüchte, Edelmetalle und Handelsgüter.)
. - Siyam (Fasten)
(das Fasten im Monat Ramadan.)
. - Haddsch (Pilgerfahrt)
(die Pilgerfahrt nach Mekka, für denjenigen der die Mittel dazu hat.)
Die 6 Säulen des Iman
(sprich: die Glaubensgrundlage der Religion)
- Der Glaube an Allah
Wie Er im Koran und in der Sunnah beschrieben wird. Wie bspw. in der 112. Sure des Korans (übersetzt von Khalid Jürgen Nitardy):
.
Sprich: Er ist ALLAH, nur einer.
ALLAH nur ist der Herrscher und sonst keiner.
Zeugt nicht und ward auch nicht gezeugt
und nichts und niemand ist gleich Seiner.
. - Der Glaube an Seine Engel
Die von großer Zahl sind, aber nur wenige namentlich bekannt, wie bspw. Jibril (Gabriel), Mikail (Michael), Israfil, Malik, Munkar, Nakier usw.
. - Der Glaube an Seine Bücher
Alle göttlichen Offenbarungschriften, angefangen mit dem Koran, über das Evangelium, die Torah, die Psalmen und alle anderen Schriften, die der allmächtige Gott Seinen zahlreichen Gesandten offenbarte, auch wenn sie uns heute namentlich nicht mehr bekannt sind.
. - Der Glaube an Seine Propheten
Laut prophetischen Überlieferungen gab es seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte zwischen 313-319 Gottesgesandte (Empfänger von göttlichen Offenbarungsschriften) und 124.000 Propheten (von Gott berufene Mahner und Rufer zur wahren Religion). Sie alle sind gemeint, ob heute noch namentlich bekannt – wie z.B. Adam, Idris (Henoch), Noah (Nuh), Abraham (Ibrahim), Lot (Lut), Ismael (Isma’il), Isaak (Ishaaq), Jakob (Ya’qub), Josef (Yusuf), Hiob (Ayyub), Moses (Musa), Aaron (Harun), David (Dawud), Salomo (Suleiman), Jonas (Yunus), Elias (Ilyas), Elisa (Alyasa), Zaccharias (Zakariya), Johannes (Yahya), Jesus (‘Isa) usw. – oder namentlich unbekannt..
. - Der Glaube an den Jüngsten Tag (Yaum ad-din)
Der Tag, an dem alle Menschen vom Tode auferweckt werden, vor dem Thron Gottes versammelt und von Ihm allein gerichtet werden.
. - Der Glaube an Gottes Vorauswissen und Vorherbestimmung (al-Qada’ wal-Qadr)
Das bedeutet, dass der allmächtige Gott über ein allumfassendes Vorauswissen über die definitiv eintreffende Zukunft der gesamten Schöpfung verfügt und dass diese definitiv eintreffende Zukunft von Ihm allein vorherbestimmt wird.
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Ich lese ihren tweet heute zum ersten Mal. Mein Name ist Kathrin, ich bin im katholisch christlichen Glauben erzogen worden. ein Teil meiner Vorfahren waren Gläubige Juden , mein Urgroßvater konvertierte zum Evangelisch- christlichen Glauben. Meine Eltern, Vater evangelisch, Mutter katholisch waren in ihren Kirchengemeinden sehr aktiv und versuchten für Junge und vor allem für alte Menschen beider Glaubensrichtungen Hilfe , Kulturangebote und ein g u t e s Miteinander mitzugestalten ( Treffpunkt Bogenhausen, München).
Ich unterrichte an einer Grundschule Ethik und weiß noch immer v i e l zu wenig über den Islam.
Welche Rolle spielt Jesus aus Ihrem Blickwinkel? Sind für Sie Christen Ungläubige?
Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen.
Grüße
Kathrin
Hallo Kathrin und vielen Dank für Kommentar.
Hier über die Stellung Jesu im Islam aufzuklären, würde wahrscheinlich den Rahmen sprengen. Ganz kurz zusammengefasst: Jesus Christus heißt bei uns Muslimen Isa ibn Maryam al-Masih (Jesus, Sohn von Maria, der Messias). Er zählt für uns zu den Schriftpropheten/Gottesgesandten, die höchste Stellung unter den Propheten. Wenn Sie Jesus und Islam googeln, werden Sie zahlreiche Beiträge finden, und in keinem davon werden Sie etwas Negatives über Jesus finden. Am objektivsten ist vermutlich der Eintrag bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/%CA%BF%C4%AAs%C4%81_ibn_Maryam
Was Ihre Frage zum Begriff “Ungläubige” angeht, so ist das nciht so leicht zu erklären. Grundsätzlich gilt, dass es im Judentum als auch im Islam bestimmte Begriffe für Menschen gibt, die nicht der eigenen Gemeinschaft angehören. Im Judentum ist es der Goy (plural: Goyim) und im Islam der Kafir (plural: Kafirun/Kuffar). Das erstere ist hebräischer Herkunft und bedeutet so viel wie Volk, also “Angehöriger eines anderen Volkes als dem israelitischen”. Das andere stammt aus dem Arabischen und bedeutet so viel “bedecken”, also jemand, der hinsichtlich des muslimischen Glaubens “bedeckt” ist, der den Islam zwar kennt, aber für sich ablehnt, als ihn bedeckt.
Die Übersetzung dieser Begriffe von einer semitischen in die deutsche Sprache lässt viel Spielraum, aber naturgemäß werden Begriffe genutzt, die in der deutschen Sprache bereits existieren. “Ungläubige” und “Heiden” sind Begriffe, die in der deutschen Sprache bekannt und etabliert sind, da sie in der Bibel für Nichtchristen benutzt werden, weshalb sie manchmal als Übersetzung herhalten müssen. Man kann sie aber auch als Nichtjuden/Nichtmuslime übersetzen.
Im Grunde sind Christen für uns Muslime, was wir Muslime auch für die Christen sind, nämlich nicht Mitglieder der eigenen Religionsgemeinschaft.
Zumindest für die arabische Sprache kann ich sagen, dass eine wortwörtliche Übersetzung des Wortes “Ungläubiger” weder im Koran, noch in der Sunnah oder in theologischen Texten vorkommt.